[caption id="attachment_319" align="aligncenter" width="600"] Der Round Tower von Windsor Castle, dem Stammsitz der königlichen Familie. Hinter diesen dicken Mauern lagern viele Geheimnisse der britischen Royals aus 250 Jahren, historische Dokumente, Tagebücher ehemaliger Herrscher und private Briefwechsel. Auch der vieldiskutierte Film von 1933 ist hier archiviert (Foto: John Stillwell/dpa).[/caption] Soviel Aufregung um die spielerische Armbewegung eines siebenjährigen Mädchens und seiner Mutter in einem Ferienfilm – viel Lärm um nichts, könnte man meinen, wenn es nicht gerade dieses Mädchen wäre, das heute als Erwachsene auf dem britischen Thron sitzt, und nicht gerade diese Armbewegung, die spätestens seit 1945 für immer mit dem Schreckensregime Hitlers in Verbindung gebracht werden wird. Londons Bürgermeister Boris Johnson wies heute zurecht in seinem Kommentar in der Tageszeitung Daily Telegraph darauf hin, dass 1933, als die 17 Sekunden Filmmaterial während der königlichen Ferien auf Schloß Balmoral entstanden, noch niemand ahnen konnte, für welche Schreckenstaten diese Armbewegung einmal symbolhaft stehen würde. Es war zu Beginn der Dreißiger Jahre in der britischen Oberschicht durchaus nicht ungewöhnlich, sich über den „komischen, kleinen Mann mit Schnauzer“, den die Deutschen zu ihrem Reichskanzler gewählt hatten, lustig zu machen, ihn vielleicht auch ein bißchen zu bewundern, weil er in seinem Land "für Ordnung sorgte". Man hielt ihn jedenfalls kurz nach seiner Machtübernahme noch für sehr viel weniger gefährlich als die Kommunisten in Osteuropa. In diesem geschichtlichen Zusammenhang ist das Verhalten der Royals vor der Kamera auch zu sehen – jedenfalls, soweit es die Queen und ihre Mutter betrifft. Ein unangenehmer Nachgeschmack bleibt angesichts der Bilder vor allem deswegen, weil der darauf auch zu sehende Prinz von Wales, später Edward VIII., tatsächlich Sympathien für das Nazi-Regime entwickelte, wohl später im Exil sogar davon träumte, von Hitler nach einer gelungenen deutschen Invasion Englands als Köng wieder auf dem Thron installiert zu werden – dann zusammen mit seiner Gattin Wallis, die sich in brauner Gesellschaft nachweislich äußerst wohl fühlte. Anders als meist in diesem Zusammenhang erzählt war die englische Regierung 1936, nach der Thronbesteigung Edwards VIII., nicht vor allem deswegen dagegen, dass Edward seine Mätresse heiratet und damit zur Königin macht, weil sie eine zweimal geschiedene Amerikanerin mit einer langen Liste von Liebhabern war. Vielmehr fürchtete man ihren politischen Einfluß auf den labilen Königssohn, da sie schon seit Beginn der 30er Jahre engen Kontakt unter anderem zum damaligen deutschen Botschafter in London, Joachim von Ribbentropp, unterhielt. Daher kam es schließlich, als Edward auf einer Eheschließung bestand, Ende 1936 zur Abdankung des Königs. Sein Bruder George VI., der Kameramann des Filmchens, und seine Frau Elizabeth, schottische Grafentochter und später als Queen Mum bekannt, unterstützten in den Jahren vor dem Zweiten Weltkrieg zwar zunächst Premierminister Chamberlains Appeasement-Politik, um einen weiteren großen Krieg zu vermeiden, distanzierten sich dann aber als Königspaar eindeutig von Nazi-Deutschland und erzogen auch ihre Töchter in diesem Sinne. Reaktionen in der nationalen und internationalen Presse zeigen, dass bei aller Aufregung niemand ernsthaft annimmt, die kleine Prinzessin Elisabeth oder ihre Eltern wären verkappte Nazi-Anhänger gewesen. Um eine böswillige Rufschädigung der Monarchin kann es also hier nicht wirklich gehen. Und dass ihr Onkel Edward Hitler später als Herzog von Windsor zum Tee besuchte, ist auch nichts Neues. Viel interessanter ist angesichts des vom englischen Klatschblatt „The Sun“ veröffentlichten Videos doch die Frage: wem nützt es, abgesehen von kurzzeitig höheren Auflagenzahlen der „Sun“? Und warum befürworten die britischen Medien, die sonst eher auf „Sun“-Bashing eingestellt sind, nahezu unisono die Veröffentlichung, während der Pressesprecher des Buckingham-Palastes sich übermäßig empört zeigt und droht, rechtliche Schritte einzuleiten? Im Kern geht es wohl insbesondere dem kämpferische „Guardian“, der links stehenden Tageszeitung, die schon kürzlich eine Veröffentlichung diverser Briefe von Prinz Charles vor Gericht erstritten hatte, darum, dass die „Royal Archives“ (aus denen das Filmmaterial stammt, eventuell sogar versehentlich herausgegeben wurde) endlich in vollem Umfang der Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden. Bisher darf man nur auf Antrag Einblick nehmen in private schriftliche und filmische Zeugnisse der mehrhundertjährigen Geschichte der königlichen Familie, die natürlich untrennbar mit der Geschichte Großbritanniens verbunden und daher auch irgendwie nicht so ganz privat sind. Die königstreue staatliche TV-Anstalt BBC hat in der Vergangenheit immer wieder Zugang zu den königlichen Archiven erhalten, um Material für ihre hervorragenden, aber eher unkritischen Dokumentationen über die Windsors zu sichten, anderen Interessierten wie Journalisten und Wissenschaftlern wurde in einem komplett intransparenten, von Hofbeamten bestimmten Verfahren der Zugang verwehrt. Der Palast lässt nun untersuchen, auf welchen Wegen der Filmausschnitt ans Licht der Öffentlichkeit gelangen konnte und man fängt unwillkürlich an sich vorzustellen, was die Royals denn vielleicht sonst so zu verbergen haben!? Der sicherste Schutz gegen ein Ausufern solcher Phantasien wäre in der Tat eine zügige Öffnung des Archivs zumindest für die historische Forschung...
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