Klaus Wolfermann hofft inständig, dass endlich mal wieder einem deutschen Speerwerfer der große Wurf bei Olympischen Spielen gelingt. «Es ist höchste Zeit», sagte der Olympiasieger von 1972, der heute 70 Jahre alt wird, der Deutschen Presse-Agentur.
Seit der nur 1,76 Meter große «kleine Riese mit dem goldenen Arm», wie er einst genannt wurde, in München den sensationellen Triumph feierte, gab es keinen deutschen Speerwurf-Gewinner bei Sommerspielen mehr.
Dass dies am 20. August im Olympia-Finale in Rio de Janeiro passieren könnte, hält Wolfermann nicht für ausgeschlossen. «Ich glaube, dass wir auf einem sehr guten Weg nach Rio sind», sagte der im bayerischen Penzberg lebende frühere Leichtathlet. «Bei den Männern gibt es seit Jahren eine Vorwärtsbewegung. Da kann der eine oder andere eine Medaille gewinnen.» Allen voran traut er Thomas Röhler zu, sein Olympia-Nachfolger zu werden. Röhler war 2015 WM-Vierter und mit 89,27 Metern drittbester Werfer.
Tief getroffen hat ihn der Skandal um das flächendeckende Doping in Russland. «Als ich das hörte, war ich nicht nur geknickt. Da sind meine Ideale zusammengefallen», sagte Wolfermann und plädiert für Russlands Olympia-Ausschluss: «Ich bin ein Hardliner.»
Medaillengewinne von deutschen Speerwerfern bei Olympischen Spielen sind eine Rarität. Vor Wolfermann gab es in Gerhard Stöck 1936 nur einen Olympiasieger und in Wolfgang Krüger 1960 einen Olympia-Zweiten - nach ihm holte lediglich der frühere DDR-Werfer Wolfgang Hanisch 1980 noch Bronze. Deshalb ist der Wolfermann'sche Gold-Coup vor fast 44 Jahren ein ganz besonderes Kapitel in der Sportgeschichte.
Und für den in Altdorf bei Nürnberg geborenen Franken war der Sensationswurf vom 3. September 1972 der Wendepunkt des Lebens. «Ich habe den Wurf voll getroffen», erinnerte sich Wolfermann an den fünften Versuch des Olympia-Endkampfes. Sein Speer flog auf 90,48 Meter, zwei Zentimeter weiter als der seines sowjetischen Rivalen Janis Lusis, der 1968 Olympiasieger geworden und in München ein Gold-Kandidat «so sicher wie die Bank von England» (Wolfermann) war.
Wie sich sein Leben verändern sollte, konnte er schon am Tag nach dem großen Sieg erleben, wo er die Schwimm-Wettbewerbe nun von der VIP-Tribüne aus verfolgen durfte. «Rechts neben mir saß der spätere König Juan Carlos von Spanien und links der US-Schauspieler Kirk Douglas. Da wusste ich, dass etwas anders geworden war», erzählte Wolfermann, der in seiner Karriere aber auch bittere Augenblicke hatte.
Bei den Olympischen Spielen 1968 in Mexiko schied er in der Qualifikation aus, für die Sommerspiele 1976 in Montreal musste er verletzt passen. «Es war eine meiner traurigste Stunden überhaupt, am Fernsehen den Speerwurf-Wettbewerb anzusehen», erzählte Wolfermann, der am 5. Mai 1973 mit 94,08 Metern auch einen Weltrekord geworfen hatte. «Der Verband hatte mir nahegelegt, mitzufliegen und in der Qualifikation auszuscheiden. Das entsprach nicht meinem Charakter.»
Seine Popularität ist auch wegen dieser sportlichen Haltung und seines herzlichen Wesens («Jeder Tag, an dem nicht vier, fünf Mal gelacht wird, ist kein guter Tag») ungebrochen. Der als Turner ins Sportlerleben gestartete frühere Weltklasseathlet nutzt den Ruhm jedoch nicht als Entrée zu Schickimicki-Partys («Ich lebe lieber mein Leben»), sondern engagiert sich seit vielen Jahren für die Aktion «Sportler für Organspende» und organisiert Charity-Golf-Turniere.
Auch im siebten Lebensjahrzehnt ist Wolfermann topfit, nicht nur mit Handicap 12 auf dem Golfplatz. «Jeden Tag trainiere ich grundsätzlich eine Stunde an Fitnessgeräten», sagte er. «Mittendrin packt mich der alte Ehrgeiz, doch am anderen Tag kommen die Fehlermeldungen vom Körper.» Wegen dieser Fitness hat er das Altwerden lange ignoriert. «Wenn ich nun aber so überlege: 70 Jahre und nun noch zehn bis 15 Jahre - dann sage ich Servus... Ich hänge sehr am Leben.»