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Blamieren oder kämpfen wie ein echter Boxer

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Hollywood-Powerhaus-Produzent Harvey Weinstein ist sich sicher, dass Sie für Ihr Portrait des fiktiven Boxers Billy Hope in "Southpaw" bei der nächsten Oscar-Verleihung auf der Liste der Nominierten stehen werden.
Wenn dem so sein sollte, wunderbar. Aber ich vermeide es strikt, mich von solchen Diskussionen in irgendeiner Weise beeinflussen zu lassen. Alles, was für mich zählt, ist die Frage, ob ein Film funktioniert oder nicht. Kommen die Zuschauer aus dem Kino und zeigen emotionale Regungen? Hat sie der Film so sehr bewegt, dass sie lachen oder weinen oder mit anderen den Rest des Abends darüber diskutieren? Das ist mein Ziel, dafür reiße ich mir monatelang den Arsch auf und trainiere wie ein Besessener.

Einige Kritiker bewerten Ihre Darstellung als die beste seit Robert De Niro in "Raging Bull".

Das ist sehr schmeichelhaft. Mit Vergleichen ist es aber immer so eine Sache. Es wurden bereits sehr viele gut gemachte Boxerfilme gedreht, das wussten wir. Wie soll man das noch toppen, um sich abzuheben? Das ist fast nicht möglich. Darum hat sich Regisseur Antoine Fuqua entschieden, die Kampfszenen zu drehen wie einen echten Boxkampf. Er heuerte dafür die komplette Mannschaft von HBO an, die alle Kämpfe für den Boxkanal ausrichtet. Von den Kameraleuten bis zu den Ringrichtern. Dadurch entstand eine sehr realistische Atmosphäre, wie sie die Zuschauer aus den Kampfnächten im Fernsehen kennen. Die Kameraleute wussten genau, was sie in welchen Momenten filmen mussten. Sie fingen jede Bewegung ein, von der Beinarbeit bis zur Deckung, von den Schlägen bis zur Versorgung der Wunden in den Kampfpausen. Für mich als Schauspieler hieß das allerdings: es gab keine Schummelmöglichkeit, keine Doubles. Wenn ich nicht kämpfen konnte wie ein echter Boxer, würden die Kameras jede kleinste Schwäche einfangen. Das war mein größter Horror – und mein größter Antrieb zugleich. Ich wusste: Wenn ich mich nicht blamieren will, muss ich kämpfen wie ein echter Boxer. In jeder Konsequenz.


Haben Sie zuvor schon mal geboxt?

Nein, noch nie. Es war wie das Erlernen einer neuen Sprache. Ganz ehrlich: Ich hatte anfangs meine Zweifel, ob ich das jemals hinkriege. Aber ich hatte ja eine große Klappe, habe Antoine Fuqua großkotzig erklärt, dass ich das schon irgendwie auf die Reihe kriegen werde. Als ich dann das erste Mal beim Sparring im Ring stand und die Rechte meines Trainingspartners erst gegen den Kopf und dann gegen die Rippen bekam, spürte ich für einen Moment Panik. Scheiße, dachte ich, wie soll ich das nur hinbekommen? Ich bekam es schließlich hin, mit Hilfe meines Trainers Terry Claybon, einem ehemaligen Kämpfer. Der Weg dorthin war ziemlich brutal, aber er hat sich gelohnt. Ich habe jetzt einen ganz neuen Respekt für diesen Sport, denn ich habe am eigenen Leib erfahren, wie viel Schweiß, Blut und Ehrgeiz es braucht, um sich auf einen Kampf vorzubereiten.

Wie sah Ihre Vorbereitung im Detail aus?

Acht Monate lang standen zweimal täglich je dreistündige Trainingseinheiten auf dem Programm. Vormittags Technik, Nachmittags Kondition. Mein Leben bestand während dieser Zeit nur aus Training, Schlafen, Essen. Soziale Kontakte hatte ich kaum noch. Wir starteten mit dem Grundtraining, der Beinarbeit mit Seilspringen, der Deckung, Schlagtechnik am Sandsack. Das Konditionstraining war fast noch brutaler: jeden zweiten Tag rund 15 Kilometer rennen, 1000 Sit-Ups täglich, gut 150 Kilo schwere Traktorenreifen Zwanzig mal wenden und mit einem Vorschlaghammer darauf einschlagen. Für die Dreharbeiten zu "Nightcrawler" hatte ich noch rund 15 Kilo abgenommen, für "Southpaw" musste ich die wieder zunehmen und mir noch sieben Kilo Muskelmasse antrainieren. Ich habe schon zuvor in meiner Karriere körperlich anstrengende Rollen gespielt, aber diese war bislang definitiv die härteste. Nach dem Ende der Dreharbeiten war ich körperlich wie mental ausgebrannt. Aber das ist okay. Es mag ein bisschen pervers klingen, aber ich liebe es, herausgefordert und bis an den Rand meiner Kräfte gefordert zu werden.

Sie scheinen in den vergangenen Jahren mehr Gefallen gefunden zu haben an dunkleren Rollen?
Ohne irgendwie seltsam klingen zu wollen, aber die dunklere Seite des Menschen ist einfach die spannendere für mich als Schauspieler. Dabei kann ich mich in Welten verlieren, die ich so noch nicht kenne. Aber ich versuche auch immer die humorvolle Seite dieser dunklen Welten zu finden.

Ursprünglich sollte Rap-Star Eminem die Rolle des Boxers Billy Hope in "Southpaw" spielen. Sie waren nur zweite Wahl?
Eminem hatte das Projekt schon länger im Auge, er wollte die Geschichte allerdings metaphorisch angelehnt an seine eigene Lebensgeschichte erzählen. Ein Junge aus Detroit boxt sich sozusagen von ganz unten nach ganz oben durch. Doch dann arbeitete er an seinem neuen Album und hatte keine Zeit mehr für die aufwendige Vorbereitung. So kam ich an Bord. Und Eminem wurde Produzent des Soundtracks.  Jake Gyllenhaal Boxer

Der Film beschreibt den Werdegang eines erfolgreichen Boxers, der alles verliert und sich dann doch wieder zurück an die Spitze boxt,...
... aber eben auch die tragische Geschichte einer jungen Familie, und der schwierigen Beziehung eines Vaters zu seiner Tochter im Speziellen. "Southpaw" ist kein reiner Boxfilm, die zwischenmenschlichen Beziehungen sind elementar für die Geschichte.

Die eigentliche Frage war: Haben Sie auch schon mal dieses Gefühl erlebt, den Boden unter den Füßen zu verlieren?
Wir alle haben unsere eigene Geschichte. Und wir alle tragen auf irgendeine Weise Wut und Aggressionen in uns. Die einen können gut damit umgehen und diese unter Kontrolle halten, für andere werden sie zum Verhängnis. Wie für den Boxer Billy Hope in diesem Film. Ich kann ihn allerdings gut verstehen, ich war auch schon in Situationen, in denen ich Gefahr gelaufen bin, auf die Fresse zu fliegen. Ohne tiefer ins Detail gehen zu wollen: in jedem von uns steckt irgendwo ein kleiner Billy Hope. 

Vom Set hört man, Sie seien bei den Dreharbeiten oft sehr angespannt gewesen. Sind Sie manchmal etwas zu tief in die Rolle eingetaucht?
Ich war Billy Hope. Ich war ein Boxer. Aber genau das war mein Ziel. Alles andere wäre unrealistisch gewesen. Die Geschichte des Filmes ist in Teilen sehr emotional, es sterben Menschen und Beziehungen brechen. Solche Szenen zu drehen, war nicht immer einfach. Stimmungen an Filmsets sind oftmals sehr entspannt und heiter, damit habe ich auch kein Problem. Aber wenn in einer Szene der wichtigste Mensch meines Lebens in meinen Armen stirbt, der Regisseur mir immer mehr Blut auf die Hände spritzen lässt, um alles noch realistischer aussehen zu lassen und ich in meiner Rolle in völliger Panik mit diesem Verlust umgehen muss, dann kann ich in solchen Momenten keine lachende Filmcrew um mich haben.

Hat die Vaterrolle im Film hier und da mal Vatergefühle in Ihnen geweckt?
Einen Vater zu spielen, war eine sehr spannende Erfahrung. Natürlich lässt einen das auch mal darüber nachdenken, wie man selbst als Vater sein würde. Ich werde das eines Tages sicher noch erfahren.

Sie feierten im vergangenen Jahr Ihr Theater-Debüt am Broadway in New York, im Juli hatten Sie ein kurzes Engagement als Seymour in "Little Shop of Horrors". Sieht man Sie künftig öfter auf Theaterbühnen?
Das ist mein Ziel. Ich möchte meine Arbeitszeit mehr  zwischen Film und Bühne aufteilen. Vor allem im Musical-Bereich tut sich sehr viel und ich hätte sehr große Lust, auch mal eine musikalische Rolle zu übernehmen. Ich kann ganz gut singen und traue mir das durchaus zu. Mit Ellen Greene in "Little Shop of Horrors" auf der Bühne zu stehen, war ein echtes Erlebnis. Ich erinnere mich noch daran, dass ich als Kind den Film Dutzende Male sah und Ellen immer als diese faszinierende sexuelle Figur betrachtete. Als sie dann im Juli auf der Bühne in meinem Arm lag und wir gemeinsam "Somewhere That’s Green" sangen, war das schon sehr schräg. Wenn man so will, ist auch "Little Shop of Horrors" ein ziemlich dunkles Stück – aber zumindest weit weniger körperlich anstrengend, als einen Boxer zu spielen.


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