Es ist eine der nervtötendsten, aber auch erfolgreichsten Kampagnen der letzten Jahre: Wenn in der Check24-Werbung mal wieder ein Haufen Normalos zu 90er-Jahre-Dance-Hits abtanzt, möchten viele nur noch umschalten. Andere tanzen die Moves in Youtube-Videos nach. Das Gesicht der Clips ist ein dicklicher Typ namens "Paul", der es dank Dauerpräsenz zur vielleicht am meisten polarisierenden Fernsehfigur überhaupt geschafft hat. Zurzeit zappelt er wieder durch jede Dschungelcamp-Werbepause und bezieht dafür fast schon traditionell reichlich Prügel von den Twitter-Usern.
Aber wer ist der Kerl eigentlich? Der stern hat sich auf Spurensuche begeben und schnell herausgefunden: "Paul" heißt eigentlich Simon Hibbs und spricht kein Wort Deutsch. Dass der englische Schauspieler aber in Wahrheit gar nicht so anstrengend ist wie im Fernsehen, sondern ein guter Typ mit Sinn für Ironie und dem typisch britischen Humor – das stellen wir erst am Telefon fest.
Wir erreichen Hibbs in seiner Heimatstadt London.
Simon Hibbs (hebt ab und singt laut los): EVERYBODY DANCE NOW ...
Herr Hibbs, wie schön, Sie haben uns schon erwartet!
Ja, oder glauben Sie etwa, dass ich jeden Anruf so annehme? Nein, das war nur für Sie!
Ihnen ist offenbar bewusst, dass Sie bei uns in Deutschland ein Held der Werbung sind.
Ich habe davon gehört, aber hier in England bin ich von diesem Ruhm isoliert. Umso schöner, dass Sie mich anrufen und ein bisschen mit mir plaudern wollen.
In Deutschland sind Sie seit über einem Jahr gefühlt alle fünf Minuten im Fernsehen – Sie könnten hier nicht mehr über die Straße gehen, ohne erkannt zu werden.
Mit der Kampagne hatte ich wirklich Glück. Bisher wollen sie immer noch einen Clip drehen und noch einen und noch einen. Jedes Mal denke ich: Das ist jetzt der letzte, aber dann laden sie mich doch wieder ein. Das ist ein schönes Gefühl.
Also können wir mit weiteren Spots rechnen?
Keine Ahnung. Aber ich sitze den ganzen Tag am Telefon und warte auf den Anruf. Nein, eigentlich warte ich darauf, dass sie einen Film drehen wollen.
Einen Film? Der auf der Kampagne basiert?
Ja, klar. Kann auch ein zehnminütiger Kurzfilm sein. Hauptsache, "Paul" und die Gang sind mit dabei. Mein Motto ist: Think big!
Kennt Sie in England eigentlich auch jeder?
Ich habe hier auch ein paar Engagements in Werbespots gehabt, aber meistens einmalige Sachen. Nicht so regelmäßig wie für Check24. Das ist natürlich ein Segen, aber auch gefährlich.
Gefährlich ..?
Hier in England hatten wir die Kampagne von Gocompare, das ist ebenfalls ein Vergleichsportal. Star der Spots war ein Opernsänger, er wurde der Gocompare-Typ genannt. Jeder liebte ihn im ersten Clip, im zweiten, im dritten ... Aber nach dem siebten oder achten hieß es immer häufiger: der schon wieder! Am Ende gab es nur noch ein paar Leute, die ihn toll fanden, und der Rest wollte ihn töten.
So geht es den Leuten mit "Paul" von Check24 auch. Andererseits: Selten in der Geschichte des deutschen Fernsehens war eine Werbefigur über einen so langen Zeitraum so omnipräsent.
Wahrscheinlich sollte ich mir einen deutschen Agenten suchen.
Sie möchten also weiter Werbung machen?
Die Spots sind seit einigen Jahren eine stabile Einnahmequelle für mich, ich sage nicht Nein zur Werbung. Aber ich möchte in Zukunft mehr Film und Fernsehen machen, das habe ich meinem Agenten auch schon deutlich gesagt. Zuletzt habe ich drei Kurzfilme gemacht, die es in diesem Jahr hoffentlich zu den britischen Filmfestivals schaffen. Ich möchte einfach mein Spektrum erweitern.
Wo Sie schon von breitem Spektrum sprechen: Warum können Sie eigentlich so gut tanzen?
Ich war früher Tänzer. Ballett.
Nicht im Ernst.
Ich wurde gut gebucht. Ich war einer der größeren Typen, aber deutlich schlanker als heute. In Zukunft möchte ich mich aber eigentlich aufs Schauspiel konzentrieren und nicht mehr tanzen.
Für die Check24-Kampagne haben Sie also eine Ausnahme gemacht.
Es war ein glücklicher Zufall. Gesucht wurde ein dicklicher Typ, der aussieht, als könne er nicht tanzen, dann aber richtig loslegt. Die Rolle war mir also auf den Leib geschrieben, im wahrsten Sinne des Wortes. Ich bin bloß froh, dass die Werbung nicht in England läuft.
Ach was.
Ich glaube, hier könnte sie das Ende meiner Schauspielkarriere bedeuten. Aus der Schublade des Tänzers und Sängers würde ich wahrscheinlich nicht so leicht rauskommen. Deswegen ist es schön, dass sie in einem anderen Land läuft. Nicht so schön ist allerdings, dass ich deshalb nicht über den roten Teppich laufen kann oder zu Filmpremieren eingeladen werde.
In Deutschland würden Sie bestimmt eingeladen werden. Die Schublade werden Sie hier nicht mehr los.
Ich war gestern bei einem Casting hier in London, da saß eine Frau die ganze Zeit neben der Regisseurin und starrte stumm auf ihr Macbook. Als ich irgendwann von meinen anderen Projekten erzählt habe, blickt sie plötzlich auf, mustert mich und fragt mit starkem deutschen Akzent: "Sie sind der Typ aus der Check24-Werbung?! Oh mein Gott, Sie sind überall!"
... und das schon seit Monaten. Haben Sie eigentlich einen Lieblingsspot aus der Kampagne?
In den Urlaubsclip konnte ich am meisten von meinem eigenen Tanzstil einbringen. Das haben mir meine Freunde hier in England auch schon bestätigt. (lacht) Aber mir gefällt auch der Spot, in dem wir als Riesen auf dem Basketballfeld tanzen. Das hat Spaß gemacht: viel Greenscreen, viel Technik.
Greenscreen und Technik machen Spaß?
Nun, es ist die einzige Möglichkeit, sich zu fühlen, als würde man gerade "Herr der Ringe" oder den "Hobbit" drehen.
Na dann wünschen wir Ihnen viel Erfolg für Ihre nächste Karriere als tanzender Bilbo Beutlin. Vielen Dank für das Interview.