Eigentlich wollte der Theaterintendant Dieter Wedel (72) ja das Programm für die Bad Hersfelder Festspiele im kommenden Sommer präsentieren. Doch statt über Theaterstücke und Musicals zu sprechen, muss er am Freitag Krisenmanagement betreiben.
Denn wegen eines überraschenden Etatstreits liegen die gesamten Planungen des Star-Regisseurs («Der Schattenmann», ZDF, «Der König von St. Pauli»/Sat.1) auf Eis. Sein Vertrauen zur Stadt sei erschüttert, sagt ein sichtlich getroffener Wedel, der sich zudem Trickserei-Vorwürfen ausgesetzt sieht.
Am Donnerstagabend hatte die Stadtverordnetenversammlung der hessischen Kurstadt plötzlich die Bremse gezogen. Eigentlich sollte ein seit längerem bekanntes Defizit in Höhe von 175 000 Euro bewilligt werden. Es war in der Saison 2014/2015 entstanden, nach Angaben der Festspielleitung für «unvorhergesehene Ausgaben». Der gesamte Etat in Wedels Premierenspielzeit hatte ein Rekordvolumen von 6,1 Millionen Euro. Doch die zusätzlich benötigten 175 000 Euro wurden nicht durchgewunken. Nun muss sich das Rechnungsprüfungsamt der Sache annehmen.
Das hat eine Haushaltssperre und Liquiditätsprobleme für die Festspiele zur Folge. So lange die Haushaltssperre gilt, sind Wedel und sein Team zur Tatenlosigkeit verurteilt. Sie können keine Schauspieler verpflichten, keine Verträge abschließen. Auch der wichtige Kartenvorverkauf kann nicht beginnen. In der wichtigen Saisonvorbereitung stehen alle nun vor einem Stopp-Schild.
Wütend ist Wedel auch, weil ihm aus den Reihen des Kommunalparlaments «Tricksereien» mit dem Etat vorgeworfen worden seien. «Dann fühle ich mich persönlich beleidigt. Das nehme ich auch nicht hin», betont er. Das habe ihm noch niemand unterstellt. «Das ist eine Unglaublichkeit.»
Er habe zwar generell Verständnis dafür, wenn Kommunalpolitiker Überprüfungen anstellten. Aber kurz vor der Programmpräsentation, das hält Wedel für schlechten Stil. Wie und wann es mit den Planungen weitergehen kann - keiner weiß es. Wedel ließ durchblicken, dass er auch gehen könne, wenn seine Arbeit nicht erwünscht sei. Aber offen mit Rücktritt drohen wollte er dann auch nicht.
Wann das Rechnungsprüfungsamt seine Arbeit gemacht und alles in der Stadtpolitik wieder gerade gezogen ist, ist ungewiss. Sicher ist aber: Je länger es dauert, desto größer ist die Gefahr, dass die Festspiele nicht in geplanter Form stattfinden können. Irgendwann könnte auch die Geduld von Intendant Wedel aufgebraucht sein.
In Bad Hersfelder drohen die Festspiele nun eher wieder in provinziellem Gezänk zu versinken. Denn schon Wedel-Vorgänger Holk Freytag wurde wegen angeblicher Etat-Verstöße rausgeworfen. Schauspieler demonstrierten sogar, um den Intendanten zurückzubekommen. In Vergessenheit geriet dies erst, als Bürgermeister Thomas Fehling (parteilos) Wedel als Nachfolger aus dem Hut zauberte. Wedel hielt Wort und lieferte eine umjubelte Premierensaison ab.
Alte strukturelle Probleme blieben jedoch. Schon seit längerem wird darüber gesprochen, die Festspiele in eine neue Organisationsform zu überführen, etwa in eine gemeinnützige GmbH. Denn bisher gibt es vor allem eine Krux: Die Festspielplanungen laufen nach dem Zyklus einer Saison jahresübergreifend. Die Stadt rechnet mit ihren Zuschüssen und Bewilligungen aber nun starr im Kalenderjahr. Da kann es zu Unstimmigkeiten kommen, welche Etatposten in welchem Jahr abgerechnet werden sollen und dürfen.
Welche Stücke 2016 gezeigt werden sollen, wollte Wedel zwar nicht vortragen. Es stand aber auf einem Banner hinter seinem Podium bei der Pressekonferenz. Etwa die Tragödie «Hexenjagd» nach Arthur Miller, «Krabat» nach dem preisgekrönten Jugendbuch von Otfried Preußler oder auch die Komödie «Der Kredit». Das Vorjahres-Musical «Cabaret» und die «Sommernachts-Träumereien» nach Shakespeare sollen offenbar wieder aufgenommen werden. Aber ob es dazu überhaupt kommt, ist derzeit offen.